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Es geht immer um alle. 50 Jahre Fristenlösung

Hannah Menne

29. 11. 2023 – 50 Jahre #Fristenlösung in Österreich

Unter Umständen“ sind wir Wände, tragende genauso wie halb in sich zusammengebrochene. Jedenfalls ein Geschichte-erzählendes-Gebäude-Gebinde. 

Das Gebinde meiner Großmutter hat heute vor 77 Jahren meine Mama ausgeleert, ich weiß zu wenig über diese Geburt, obwohl ich mich herleite von ihr. Die Genealogie der Frauen, die Babuschkas, führt so selbstverständlich die eine zur anderen. 

Der 29. November ist auch der Tag, an dem uns vor 50 Jahren die #Fristlösung geschenkt, nein von Frauen erstritten worden ist. Meine Mutter feierte sicher gehörig mit an diesem Tag – meinen knapp zehn Monate alten großen Bruder am Arm: Obwohl alles dagegen sprach, hat sie sich als Ledige, Alleinstehende, frisch nach Österreich Zurückgekehrte, für das Kind  entschlossen. 

In meiner Arbeit als #Doula-Geburtsbegleiterin geht es – NIE! – nur um die unmittelbar bevorstehende Geburt, um das oben so lässig beschriebene Ausleeren des Frauen-Gebindes. Es geht immer um alles: die Geburten der eigenen Mutter, die Geburten der Ahninnen, Blutsverwandten und die deiner Seele Nahen.

 

Und: Es geht um die vor der Geburt, währenddessen oder kurz danach verstorbenen Kinder. Es geht um die entrissenen und die weggelegten und die freigegebenen Kinder. Auch um die lange ersehnten und herbeigewünschten und zufälligen Kinder. Und um die, die man nicht halten kann und will, konnte und wollte.

Eine Frau, die ich einmal bei einer Kürettage nach dem Abgang begleitete, weinte zuerst bitterlich, als Mann und Ärzteschaft ums Bett standen. Ich blieb noch länger bei ihr, eine Zeit lang stumm, dann erzählte sie. Es seien auch Freudentränen gewesen, sagte sie, aber das habe sie sich nicht zu sagen getraut, sie hätte doch schon vier Kinder, aber der Mann wünsche sich doch so inständig noch einen Sohn… Eine von den unterdrückten Vorgeschichten zu den Vorkommnissen war das. 

Ich wünsche meiner Tochter und allen Töchtern dieser Welt, nicht gebären zu müssen oder in Gefahr zu sein, wenn sie sich gegen Schwangerschaft und Mutterschaft entscheiden. Es ist nicht nur „unter Umständen“, sondern immer unser Körper!

Eine Welt in Frieden kann es nur geben, wenn Frauen über sich selbst bestimmen. 

Danke allen, die vor 50 Jahren und auch heute dafür geradestehen.